Corporate Social Responsibility: Leadership im Zeitalter der Transparenz – Harvard Business Manager

Corporate Social Responsibility: Leadership im Zeitalter der Transparenz – Harvard Business Manager 

ein sehr interessanter, offener Artikel von Christopher Meyer und Julia Kirby

Ein wenig Sponsoring hier, ein bisschen Umweltschutz da – das reicht nicht mehr. Die Menschen erwarten, dass Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Ein Vorschlag für ein systematisches Vorgehen.

Es hat sich einiges verändert. Vergleichen Sie einmal das Verhalten der Marktführer in der Lebensmittelindustrie vor einigen Jahren mit dem der Tabakindustrie vor zwei Jahrzehnten. In den 80er Jahren kämpften die Verantwortlichen bei Philipp Morris noch mit aller Kraft gegen die Flut von Beweisen an, die belegten, dass Rauchen Lungenkrebs erzeugt, und sie behaupteten, dass Konsumenten schließlich aus freiem Willen rauchten. 1993 erschien in der „Washington Post“ ein Artikel mit der Schlagzeile „Wissenschaftler bezeugen, dass Tabakkonzern Suchtstudien vertuscht hat.“ Der Beitrag offenbarte die ganze Wahrheit: Topmanager des Konzerns hatten ein Jahrzehnt zuvor von ihnen finanzierte Forschungen zurückgehalten, die erdrückende Beweise für die Schädlichkeit des Rauchens lieferten. Unter den Teppich kehren: So einfach ist das heute nicht mehr. Denn das Wissen um negative Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns auf Mensch und Umwelt wächst, auch weil sich sogenannte externe Effekte heute leichter erfassen lassen. Kluge Unternehmen übernehmen Verantwortung, beugen bestenfalls proaktiv vor, bevor Konflikte und Regulierungen sie dazu zwingen.

Wenn wir ins Jahr 2000 springen, können sie sehen, dass Unternehmen, etwa die Lebensmittelindustrie und das Gaststättengewerbe, nicht einmal 20 Jahre später schon ein ganz anderes Verhalten zeigten. Als die von Transfetten ausgehenden Gefahren bekannt wurden, reagierten die Manager der führenden Firmen sehr schnell und konsequent, um die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen zu vermeiden. Sie änderten Rezepte, finanzierten öffentliche Weiterbildungskampagnen und warben für fettreduzierte Produkte, noch bevor sich das Thema zu einem zentralen Konflikt auswuchs. Bereits 2005 verkündete ein Branchenbericht: „Die Firma Kraft Food hat einen Weg gefunden, Transfette erfolgreich zu reduzieren“, und alle Wettbewerber des Unternehmens folgten dem Beispiel des Nahrungsmittelkonzerns. Angesichts der Tatsache, dass ein US-Bundesstaat ein gesetzliches Verbot, Transfette in Restaurants zu verwenden, erstmals in diesem Jahr ausgesprochen hat, waren dies freiwillige Änderungen, die lange vor der Einführung rechtlicher oder regulatorischer Zwänge und sogar lange vor dem Aufschrei der Öffentlichkeit unternommen wurden.

KOMPAKT

Die Frage: Unter externen Effekten verstehen Wirtschaftswissenschaftler die Auswirkungen, die das Handeln eines Unternehmens auf seine Umwelt hat, für die es aber nicht zur Verantwortung gezogen wird beziehungsweise die es in seinem wirtschaftlichen Kalkül nicht berücksichtigt. Dabei geht es nicht nur um die Verschmutzung der Umwelt; externe Effekte können auch entstehen, wenn Unternehmen die Zeit ihrer Kunden verschwenden oder andere gesellschaftliche Ressourcen verbrauchen. Unternehmen bemühen sich heute mehr denn je um gesellschaftliche Verantwortung. Doch wie umfassend sollen oder können Manager sich überhaupt um externe Effekte kümmern?
Die Antwort: Da die Gesellschaft heute weitaus sensibler auf negative externe Effekte reagiert, müssen Unternehmen dazu übergehen, alle externen Effekte systematisch und strategisch zu managen. Die Autoren stellen ein Modell vor, das Managern hilft zu entscheiden, für welche Effekte das Unternehmen Verantwortung übernehmen sollte und in welchem Umfang; bei welchen es sich der Hilfe neutraler Organisationen bedienen oder zumindest Interesse zeigen sollte.

Was ist in den vergangenen 20 Jahren passiert, dass das Management derart anders reagiert hat? Es handelt sich in der Tat um entscheidende Veränderungen: Die negativen Auswirkungen, die wirtschaftliches Handeln auf die Umwelt, die Gesellschaft und den Einzelnen hat, sind so schwerwiegend geworden, dass sie nicht mehr ignoriert werden können; außerdem wurden günstigere und einfachere Möglichkeiten entwickelt, um diese externen Effekte zu erfassen.

So haben sich die Regeln für wirtschaftliches Handeln verändert. Kritische Argumente, die die Unternehmenslenker in ihren Planungen früher nicht weiter berücksichtigt hatten, werden nun zunehmend mit einbezogen. Mit anderen Worten: Es wurde unmöglich, externe Effekte zu ignorieren. Unter externen Effekten verstehen Wirtschaftswissenschaftler die Neben- oder Folgewirkungen des wirtschaftlichen Handelns von Unternehmen.

Es sind die direkten und indirekten Auswirkungen, die seine Aktivitäten auf sein weiteres Umfeld haben, für die es aber nicht aufkommen muss und die es bei seinen Entscheidungen daher nicht mit berücksichtigt. Ein klassisches Beispiel ist die Umweltverschmutzung: Ein Schornstein in Akron/ Ohio kann Feinstaub in die Luft blasen, der mit dem Wind fortgetragen wird und sich später auf entfernten Anbauflächen ablagert. Da es aber keinerlei Messungen darüber gibt, wird die Fabrik für die dadurch verursachten Ernteschäden nicht haftbar gemacht. Solche Wirkungen vollziehen sich unbeobachtet, und das Unternehmen ist aus dem Schneider. Die Art, wie die Konsumenten Produkte entsorgen, ist ebenso ein externer Effekt wie der Lärm der Fabriksirene.

Das Konzept der externen Effekte beschränkt sich aber nicht auf die Auswirkungen auf die physische Umwelt. Nehmen wir beispielsweise an, dass Ihre menügesteuerte Hotline Anrufer ein wenig länger als nötig in der Leitung hält und dadurch deren Zeit stiehlt. Oder Ihr Zulieferer beschließt, seine Kosten durch den Einsatz illegaler Arbeiter zu senken. Oder die Grundstückspreise in der Nähe Ihrer Fabrikanlagen beginnen zu fallen. All das sind Auswirkungen, für die Sie vermutlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Als Kraft, Nabisco und Nestlé beschlossen, ihre Rezepte abzuändern, und nationale Restaurantketten wie Wendy’s und Burger King dazu übergingen, in ihren Fritteusen Fette einzusetzen, die die Arterien nicht so stark verstopfen, entschieden sie sich dafür, einen externen Effekt zu internalisieren. Sie nahmen sich eines Problems an, von dem sie juristisch gesehen weiterhin hätten sagen können, es sei nicht ihres.

Freilich, sie taten dies auf Druck von Aktivisten, und sie könnten sicherlich auch noch mehr tun. Aber anders als die Tabakindustrie in den 80er Jahren wartete die Lebensmittelindustrie nicht, bis es zu staatlichen Regulierungen und zu Prozessen kam. Sie handelte. Das ist eine große Veränderung. Es handelt sich nicht einfach nur um gute PR. Es spielt sich vielmehr etwas Komplexeres und zugleich Nüchterneres ab.

Wir vertreten die These, dass sich das Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens in Wirklichkeit an seiner Bereitschaft bemisst, externe Effekte kontinuierlich zu internalisieren. Dies ist auch der Schlüssel dafür, dass es eine ihm angemessene Rolle in der Gesellschaft spielen kann. Heutzutage werden Unternehmenslenker über viele Kanäle mit der Botschaft bombardiert, dass sie der Gesellschaft mehr schulden, und viele sehen das auch selbst so. Aber häufig ist das Ergebnis ein zusammenhangloses Durcheinander von Corporate-Social-Responsibility-Programmen und Umweltschutzinitiativen. Wir stellen einen weit disziplinierteren Weg vor, um der Herausforderung zu begegnen.

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